Einfach mal Kind Gottes sein
Am 15. Januar 2024Predigt über Philipper 2, 12-16 „Einfach mal Kind Gottes sein!“
Nachdem wir gestern schon in Gedanken nach Philippi gereist sind und gesehen haben, wie die Gemeinde dort entstanden ist, wollen wir heute sehen, wie sich das weiterentwickelt hat. Den Brief hat Paulus etwa 10 Jahre nach der Gemeindegründung geschrieben. Es besteht immer noch ein herzliches Verhältnis zwischen Paulus und den Philippern. Sie unterstützen ihn, auch finanziell, und er betet viel für die Christen in Philippi. Und hat Paulus vielleicht auch etwas zu den Philippern geschrieben über das „Kind-Gottes-Sein“?
Auch der Philipperbrief beginnt mit „Gnade und Friede sei mit euch“- Gnade und Friede sind zwei Dinge, die für das Kind-Gottes-Sein von größter Bedeutung sind.
Dann lese ich weiter: ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu. (Kap. 1,7)
Was für eine Zusage! Das Begonnene wird weitergehen! Wo wir Samen gesät haben, werden sie aufgehen, aus Kindern werden irgendwann Erwachsene, kleine Anfänge werden in Ewigkeit vollendet!
Aber dann gibt es tatsächlich auch eine Stelle im Philipperbrief, wo von den Christen in Philippi als von Kindern Gottes gesprochen wird: Philipper 2, 12-16:
12 Also, meine Lieben, – wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit – schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. 13 Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. 14 Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, 15 damit ihr ohne Tadel und lauter seid, Gottes Kinder, ohne Makel mitten unter einem verdorbenen und verkehrten Geschlecht, unter dem ihr scheint als Lichter in der Welt, 16 dadurch dass ihr festhaltet am Wort des Lebens, mir zum Ruhm an dem Tage Christi, sodass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch vergeblich gearbeitet habe.
Ihr Lieben, Wie lebt ein Kind Gottes, wie lebe ich als Kind Gottes? Darum geht es uns an diesem Wochenende.
— Meine Lieben! So beginnt auch Paulus diesen Abschnitt, mitten im Brief spricht er die Philipper noch einmal direkt an als das, was sie für ihn sind. Meine Lieben! Oder man kann auch übersetzen: Geliebte! Die Christen in Philippi liegen Paulus in besonderer Weise am Herzen, auch noch nach Jahren. Alles, was er ihnen jetzt schreibt, ist auf dem Hintergrund zu lesen, dass sie Geliebte sind. Von Gott Geliebte und von Paulus Geliebte, geliebte Kinder Gottes.
- Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. (V 12)
Das ist ja zunächst eine steile Aussage. Kann man denn so heute in der Gemeinde noch sprechen? Wer will denn das noch hören? Konnte man damals so sprechen? Hat man damit nicht genau das gesagt, was in jeder Religion schon immer galt: „Streng dich an, hab möglichst viel Angst vor deinem Gott, damit du ihn vielleicht gnädig stimmen kannst!“
Wie immer ist es gut, dass wir diesen Vers nicht aus dem Zusammenhang reißen und nicht allein betrachten! Aber wir sollten auch nicht schnell darüber hinweghuschen.
Nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit – schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Das appelliert an meine integre Haltung. Nicht Heuchelei und frommer Schein sind beim Christsein gefragt, sondern Ehrlichkeit. Darum ging es schon Jesus immer in seinen Predigten. Wie oft hat er Oberflächlichkeit und Heuchelei angeprangert und auch aufgedeckt.
Es geht in einem Leben als Christ, in einem Leben als Kind Gottes, darum, dass ich so von innen heraus verändert worden bin, dass egal, ob jemand zuschaut oder nicht, ich nach dem handle, was Gott will und was ihn ehrt.
Darüber, wie ich ein Kind Gottes werde, haben wir gestern schon gesprochen.
Das Kind Gottes-Sein hat seine Grundlage im Glauben an Jesus Christus, den Gestorbenen und Auferstandenen, wie er uns in den Versen vor unserem Predigttext vorgestellt wird. Dieses Glaubensbekenntnis, dieser Christus-Hymnus ist die tiefste Überzeugung eines Gotteskindes. Wer diesen Glauben teilt, empfängt den Heiligen Geist.
Übrigens: Gott stellt sich durch das ganze Alte Testament als Vater für sein auserwähltes Volk Israel vor. Er sehnt sich danach, dass sein Volk in dieser engen Vater-Kind-Beziehung mit ihm lebt. Aber dass dafür Glaube entscheidend ist und nicht das Halten von Geboten und Opferritualen, wird auch immer wieder deutlich. Um Gott als unseren Vater in seinem Wesen besser kennenzulernen, müssen wir sowohl das Alte als auch das Neue Testament betrachten.
Wie werde ich selig- immer und immer wieder schreibt Paulus, dass es nicht um die Gerechtigkeit durch Werke geht, sondern aus Glauben wird ein Mensch selig. Darum lesen wir auch V 12 mit V 13 zusammen:
Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.
13 Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Gott wirkt in mir Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Gott wirkt in mir Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Was löst dieser Vers, dieser Gedanke, diese Wahrheit in Dir aus?
Gott wirkt in mir Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen.
Erlebt ihr den Alltag auch oft so wie ich? Da fallen mir 100 Menschen und Projekte ein, um die ich mich kümmern sollte und noch einmal 100, um die ich mich kümmern könnte. Und dann merke ich, da ist ja auch noch meine große Familie, ach ja, und mein Mann auch noch. Gott wirkt in mir das Wollen. Manchmal will ich aber viel zu viel! Ich will ja allen helfen, überall aktiv sein, die Welt zum Guten verbessern, meine Gaben einbringen… Wenn ich aber diesen Vers auf mich wirken lasse, kommt Ruhe hinein in mein Denken. Plötzlich bekommt der dritte Teil Gewicht: Nach seinem Wohlgefallen. Plötzlich wird mir wichtig, dass es um das gehen soll, was Gott gefällt. Gefällt es ihm, wenn ich wie ein gescheuchtes Huhn durch die Gegend renne, laut gackere und überall meinen Mist verteile? Gefällt ihm der Platz, an dem ich das Gras ausrupfe, die Körner aufpicke? Was ist das, was bei Gott Wohlgefallen findet? Und hier kommt mir Psalm 143 in den Sinn.
Ps. 143, 8-10: Lass mich am Morgen hören deine Gnade; denn ich hoffe auf dich. Tu mir kund den Weg, den ich gehen soll; denn mich verlangt nach dir. Errette mich, HERR, von meinen Feinden; zu dir nehme ich meine Zuflucht. Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott; dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.
Gott wirkt in uns das Wollen und das Vollbringen: Wir können, um diesen Gedanken zu verstehen, noch einen Vergleich bemühen:
Ich komme aus einer musikalischen Familie und irgendwann sollte auch ich Klavierunterricht bekommen. Das war etwas mühsam, weil ich bis heute das Gefühl habe, das Spielen mit zwei Händen gleichzeitig ist im Grunde eine Überforderung für mich. Ich habe aber fleißig geübt, geschafft, mich angestrengt, um die Stücke zu lernen. Richtig Spaß hat es mir immer dann gemacht, wenn sich mein Vater zu mir ans Klavier gesetzt hat und wir vierhändig spielten. Da gab es meistens einen schwereren und einen leichteren Teil, ich hatte natürlich den leichteren. Aber wenn das gesamte Stück mit vier Händen erklingt, merkt man nicht mehr so sehr, wer welchen Teil spielt. Das Ganze wirkt und klingt schön. Und oft wurde ich auch so mit hineingenommen, dass ich plötzlich mutiger, schwungvoller und besser spielen konnte, als wenn ich allein für mich geübt habe. Wenn Gott der ist, der sich in meinem Leben zu mir ans Klavier gesetzt hat und mit mir das Stück meines Lebens vierhändig spielt, wenn er sagt, welches Stück ihm gefällt und wie es klingen soll und wir das dann zusammen spielen- dann ist das so, wie es uns hier beschrieben wird.
12 Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.
13 Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Aber dann geht die Herausforderung weiter:
- Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel (V14)
Manchmal muss uns das ja auch gesagt werden. Es gibt solche Tage, an denen wir am liebsten nur murren würden und alles anzweifeln. Wenn dann noch der Himmel trüb ist, alles schief geht und die Hormone Karussell fahren… Meint Paulus das? Ich weiß nicht, wie sehr er sich als Unverheirateter mit der Psyche einer Frau auskannte. Vermutlich denkt er hier eher an das Murren des Volkes Israel in der Wüste, als das Volk kein Wasser hatte und vor Durst schrie und murrte. Der Hintergrund war Unglaube. Das Volk vertraute Gott nicht oder nicht mehr. Es ist menschlich verständlich, dass es solche Zeiten auch gibt. Geistlich gesehen aber gefährlich, denn die, die murrten, kamen damals alle in der Wüste um. Darum sollten wir sehr genau darauf achten, ob uns nur heute zum Murren zumute ist und wir ein wenig schlechte Laune haben, oder ob das Murren und Zweifeln vielleicht unsere Grundhaltung geworden ist, so ganz langsam und schleichend. Und ob wir, wenn wir als Pfarrfrauen zusammenkommen, uns dann darin vielleicht sogar noch bestärken nach dem Motto: Bei dir ist es schlimm, bei mir noch schlimmer, also kann das ja auch nichts mehr werden. NEIN, stop. Dafür ist der Pfarrfrauenbund nicht da! Wir sind kein Verein der murrenden, ewig nörgelnden Frauen. Wir helfen uns gegenseitig, und wenn eine in so eine Höhle geraten ist, gehen wir gemeinsam mit ihr wieder hinaus!
Wie lebe ich als Kind Gottes?
- Seid ohne Tadel und lauter, Gottes Kinder, ohne Makel (V 15)
Manchmal reichen auch das gegenseitige Tragen und die Gemeinschaft nicht. Es mag sein, dass es auch unter uns Pfarrfrauen welche gibt, die Schwierigkeiten damit haben, sich als geliebtes Kind Gottes zu sehen. Entweder weil sie mit der Vorstellung von Gott als Vater ihre Mühe haben oder mit dem Kind-Sein von Eltern, die sie nicht unbedingt wollten. Mag sein, Du trägst so eine Last aus der Vergangenheit mit dir herum. Mag sein, es ist auch eine Last, die Dir das Gefühl gibt, nicht würdig zu sein, nicht zu genügen, dass man dich für alles Mögliche tadeln könnte und das zu Recht. Vielleicht kannst Du Dir gar nicht vorstellen, mit Gott gemeinsam auf einem Klavierhocker zu sitzen und vierhändig zu spielen? Lass Dir heute sagen: Jesus hat Dich gewollt und ins Leben geliebt. Deine Vergangenheit bekommt durch seine Gnade und Liebe einen neuen Glanz! Das alte ist vergangen, neues ist geworden, in dem Moment, als Du zum Glauben an Jesus Christus kamst! Da hat Gott den Makel weggenommen!
Und damit kann sich auch Deine Haltung dem Leben gegenüber verändern. Daher ist Evangelium nicht nur Vertröstung für das Jenseits! Ich bekomme schon jetzt als Kind Gottes einen anderen Blick für das Vergangene. Und Ich bekomme auch Mut, um heute zu Leben. Und das hilft mir dann, für die Zukunft zu hoffen.
Wir haben der Tagung den Titel gegeben „Einfach mal Kind Gottes sein“. Kind sein ist etwas Einfaches. Um Kind zu sein, muss ich mich nicht anstrengen. Ein Kind sollte keine besondere Leistung bringen müssen, ein Kind darf Fehler machen, ein Kind sollte nicht immer in der Angst vor einem Tadel leben müssen, ein Kind kann dumme Sachen sagen. Ein Kind muss auf dem Klavier nicht jeden Ton treffen. Ein Kind darf einfach Kind seiner Eltern sein und das Zusammensein mit den Eltern genießen.
Bei uns in Südbaden ist es ja hügelig und ich rannte als Kind beim Sonntagsspaziergang einen Berg hinunter und fiel aufs Gesicht. Meine Lippe blutete stark. Da zog mein Vater sein frisches weißes Stofftaschentuch aus der Hosentasche und damit wurde das Blut gestillt. Ich war getröstet, weil mein Papa sein sauberes Taschentuch, das seinen Geruch hatte, für meine Wunde gab. Ich war in dem Moment nicht ohne Makel, meine Lippe schwoll schnell an und blutete. Und so ist es auch bei uns: In dem Moment, wo wir Kinder Gottes werden, sind wir nicht makellos. Die Sünde hat uns beschmutzt, verletzt, von Gott getrennt. Aber Gott machte es möglich, dass wir vor ihm makellos erscheinen können. Er tat alles, nicht nur um uns zu trösten, wie ein Vater seine Tochter tröstet, oder eine Mutter ihr Kind tröstet, sondern um uns für die Ewigkeit zu erretten. Er streckte uns nicht nur ein weißes Taschentuch hin, er gab seinen Sohn, der für uns sein Leben gab und damit den Preis bezahlte, den wir eigentlich hätten bezahlen müssen.
Und auch als Kinder Gottes werden wir ins Straucheln kommen, und sogar mal stürzen und uns verletzen. Aber immer wieder werden wir von dem Makel gereinigt und können fröhlich weiterleben.
Denn wir haben einen Auftrag:
- Ihr scheint als Lichter in der Welt. (V 15)
Als Kinder Gottes sind wir wie Lichter. Also raus aus der Höhle, damit unser Licht leuchten kann!
Als Kind habe ich besonders gerne bei meiner Omi übernachtet. Sie war eine gläubige fromme Frau. Abends, wenn ich schon im Bett lag, setzte sie sich ans Klavier im Nebenzimmer und spielte dieses Lied:
1) Jesus heißt, uns leuchten mit hellem Schein.
Wie ein kleines Lämpchen, brennend klar und rein.
Christen sollen leuchten in der dunklen Welt.
Jedes an dem Plätzchen, wohin Gott es stellt.
2) Jesus heißt uns leuchten zuerst für Ihn.
Sicher weiß und merkt Er, ob wir für Ihn glühn.
Ob wir helle leuchten in der dunklen Welt.
Jedes an dem Plätzchen, wohin Gott es stellt.
3) Jesus heißt uns leuchten auch um uns her,
in der Nacht und Sünde, in des Leidens Meer.
Selig, wenn ein Lämpchen seinen Kreis erhellt.
Leuchtend an dem Plätzchen, wohin Gott es stellt.
- dadurch dass ihr festhaltet am Wort des Lebens (V 16)
Leuchten werden wir dann, wenn wir am Wort des Lebens festhalten. Hier wie in der ganzen Bibel ist nicht gemeint, dass das Licht von uns käme. Jesus als Licht der Welt und sein Wort, das nach Psalm 119 das Licht für unseren Weg ist, erleuchten uns und wir reflektieren dieses Licht. Aber das ist allemal genug, um die dunkle Welt um uns herum mit einem kindlichen Glauben heller, schöner, freundlicher zu machen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen