
Bausteine für ein zufriedenes Leben
Am 17. Januar 2023Vortrag zur Pfarrfrauentagung in Baden, 17.1.2023 von Christiane Vogel, Dekanin i.R.
Sie alle kennen sicher noch Herrn Lehrer Lämpel. Nein, das ist kein Kollege aus dem Schuldekanat. Lehrer Lämpel ist bei Wilhelm Busch zu Hause, genauer gesagt: Bei Max und Moritz.
Von ihm wird uns berichtet, wie sein Sonntagmorgen verlief. Er gehörte zu den Lehrkräften, die noch zur Kirche gingen, und nicht nur das: Er spielte dort die Orgel. Nun ist der Gottesdienst zu Ende, und dann ging es so weiter:
Eben schließt in sanfter Ruh
Lämpel seine Kirche zu;
Und mit Buch und Notenheften
Nach besorgten Amtsgeschäften
Lenkt er freudig seine Schritte
Zu der heimatlichen Hütte,
Und voll Dankbarkeit sodann
Zündet er sein Pfeifchen an.
„Ach!“ spricht er. „Die größte Freud
Ist doch die Zufriedenheit!„
Liebe Pfarrfrauen,
ich glaube, Herr Lehrer Lämpel hat damit etwas Richtiges gesagt: Wir können es ganz gut nachvollziehen, wenn er die Zufriedenheit als die „größte Freud“ bezeichnet.
Das Institut in Allensbach, immerhin auch bei uns im Badischen Land zuhause, führt regelmäßig Studien durch zu der Frage, wie zufrieden die Menschen bei uns sind.
Die Ergebnisse von 2019 zeigten Deutschland auf einem stabilen Wert mit 7 von 10 möglichen Punkten. Nach Corona ist der Wert leicht gesunken. Damit ist dieser Wert einigermaßen gleichmäßig hoch und besser als noch vor etlichen Jahren.
Wir hier in Baden sind dabei deutschlandweit auf Platz 4. Die zufriedensten Menschen in Deutschland leben im Norden. Hamburg ist die beliebteste Großstadt, vor München und Berlin, das stand neulich auch gerade in der Zeitung. Ich kann das gut verstehen. Ich liebe den Norden auch. Der viele Wind pustet einem die Spinnweben aus dem Gehirn und man kann schon zwei Tage früher sehen, wer zu Besuch kommt, und nochmal eben Staub saugen.
Bei mir zuhause ist es natürlich so sauber, dass Sie vom Fußboden essen könnten.
Ja! Bestimmt! Sie finden immer was… 😉
Aber zurück zur Wissenschaft. Im Sommer 2006, also das ist schon etwas länger her, hat das Möbelhaus IKEA eine internationale Studie in Auftrag gegeben zu der Frage: Sind Sie mit Ihrem Leben zufrieden? Damals beantworteten nur 58 % der Deutschen diese Frage mit Ja.
Zum Vergleich: Bei unseren Schweizer Nachbarn waren es 83 %.
Die Deutschen gehörten im Jahr 2006 mit diesem Wert zum unglücklichsten Drittel der Welt.
Das ist inzwischen besser geworden, und das ist auch gut und angemessen so.
Denn bitte überlegen Sie mal: Wenn bei uns auch reichlich gejammert und geklagt wird:
Wir sind in Deutschland nach zwei verlorenen Weltkriegen und einer gestemmten Wiedervereinigung eines der reichsten Länder der Erde. Wir haben mit die besten Sozialsysteme für Kranke, Pflegebedürftige und Arbeitslose, wir leben in Frieden und Wohlstand mit einer demokratisch gewählten Regierung.
Bei uns dürfen Mädchen selbstverständlich in die Schule und in die Hochschule gehen.
Wir sind von Naturkatastrophen viel verschonter als andere Länder dieser Erde, auch wenn die Flut im Ahrtal natürlich heftig war für die Betroffenen.
Aber insgesamt ist es doch kein Wunder, dass so vielen Menschen Deutschland als das Gelobte Land erscheint. Eigentlich müssten noch viel mehr Menschen bei uns zufrieden sein.
Und sie sind es doch nicht. Die Zahl der Menschen, die von Depressionen und Süchten geplagt sind, ist hoch, auch gerade unter jungen Menschen. Ich möchte deshalb mit Ihnen heute versuchen, zu entdecken, was denn uns Menschen zu mehr Zufriedenheit verhelfen könnte.
Ich möchte mit Ihnen darüber nachdenken, wie die Zahl der Zufriedenen in unserem Land größer werden könnte, vielleicht um einige von Ihnen, die heute nach diesem Vortrag etwas zufriedener sind als bisher. Nun bin ich hier ja im Kreise der Pfarrfrauen.
Da erwarten Sie vielleicht von mir, dass ich jetzt sage: Wer an Gott glaubt, der ist ganz von selbst zufrieden. Der nimmt sein Leben an, der blüht, wo er gepflanzt ist, der bejaht seine Gaben und seine Grenzen, der ist erfüllt von Dankbarkeit und weiß: Danken schützt vor Wanken, Loben zieht nach oben… Jaaaa, ich kenne das alles. Aber manchmal ist es einem eben trotzdem nicht nach Danken zumute! Manchmal ist man unzufrieden, obwohl man das alles weiß, und dann wird man doch gerade erst recht unzufrieden, vor allem mit sich selbst, weil man doch eigentlich zufrieden sein müsste.
„Bausteine für ein zufriedenes Leben“ ist deshalb das Thema, und ich will Ihnen dazu meine Gedanken mitteilen, mal ganz ohne den Blick auf den Glauben. Nicht, weil der nicht wichtig wäre, Gott bewahre!
Aber den Blick aus Sicht des Glaubens kennen Sie alle zur Genüge. Deshalb versuche ich es mal anders, und ich betone: Es sind Bausteine, keine Patentrezepte. Sie müssen selbst überlegen, was davon für Sie passt und was nicht.
Lassen Sie uns dafür noch einmal den Lehrer Lämpel anschauen. Denn in diesen kurzen Versen, die ich Ihnen vorhin vortrug, haben sich gleich 4 Bausteine für ein zufriedenes Leben versteckt. Diese möchte ich mit Ihnen anschauen und bedenken.
Ich lese noch einmal die ersten Zeilen:
Eben schließt in sanfter Ruh
Lämpel seine Kirche zu;
Und mit Buch und Notenheften
Nach besorgten Amtsgeschäften
Lenkt er freudig seine Schritte
Zu der heimatlichen Hütte
Das ist der 1. Baustein: Zufrieden ist man, wenn man eine Arbeit geschafft hat, wenn man etwas geleistet hat.
Es ist dies eine wichtige erste Einsicht. Faulheit und Gammelei machen unzufrieden.
Zufrieden dagegen wird man, wenn man sich angestrengt und gemüht hat – und damit erfolgreich war.
Das fängt bei den kleinen Kindern an. Schon beim Stillen ist das so. Säuglinge müssen sich anstrengen, um an die Muttermilch zu kommen. Das Saugen an der Brust kostet Kraft, aber es hat Erfolg, und deshalb macht es das Baby zufrieden. Die Flasche macht den Kindern das Saugen viel leichter, aber das ist nicht zu ihrem Besten. Natürlich: Nicht jede Mutter kann auch stillen, und auch aus Kindern, die mit der Flasche gefüttert werden, kann was werden.
Aber die Fachleute sind sich einig: Stillen ist das Beste, wenn es möglich ist.
Auch später bei größeren Kindern ist es so. Wenn ein Kind mit Mühe etwas gebastelt hat, wird es daran mehr Freude haben als an allem, was fertig gekauft werden kann.
Wenn man mit Üben und Anstrengung etwas erreicht, sei es, dass man ein Musikinstrument erlernt, sei es der Sport, sei es etwas Handwerkliches, ganz gleich, was es ist: Wenn man sich gemüht und etwas geschafft hat, wenn man auch etwas durchgehalten hat, dann macht das zufrieden. Es ist deswegen nicht gut, Kindern alles aus der Hand zu nehmen, ihnen alles aus dem Weg zu räumen, sie zu verwöhnen.
Ich will Ihnen dazu ein Beispiel erzählen.
In einer Grundschule plante die erste Klasse ihren Wandertag. Die Lehrerin hatte sich das so gedacht: Jedes Kind hat einen Rucksack mit Vesper, mit einem Würstchen, was zu trinken und einem Holzscheit. Am Ziel packen alle ihr Holzscheit aus, davon wird dann das Lagerfeuer gemacht und das Würstchen gebraten. Am Elternabend gab es lauten Protest. Es sei den Kindern nicht zuzumuten, so einen Rucksack zu tragen.
Was geschah? Irgendein Vater fuhr schon an die Feuerstelle hin, machte das Feuer, brachte Getränke und Würstchen mit dem Auto.
Zufriedener wären die Kinder gewesen, wenn sie es selbst geschafft hätten.
Dasselbe gilt für die materielle Verwöhnung. Es ist wichtig, auf etwas zu sparen, auf etwas zu warten, nicht alles immer sofort haben zu können und haben zu wollen. Hier ist besonders die Einsicht auch der Großeltern wichtig. Die heutige Großelterngeneration ist relativ wohlhabend. Die Versuchung ist deshalb groß, Dinge zu kaufen, die einem für das Kind gefallen. Zudem gilt es ja auch noch, die Konkurrenz mit den anderen Großeltern auszuhalten. Aber mit materieller Verwöhnung schadet man dem Kind. Schenken Sie Ihren Enkelkindern lieber Zeit, schaffen Sie gemeinsam etwas. Das macht stolz und – zufrieden.
Nun gilt das freilich nicht nur für Kinder. Wir Erwachsenen wissen es auch:
Es macht uns zufrieden, wenn wir etwas geschafft haben. Wenn wir uns etwas zugetraut haben.
Und dann ist es aber auch wichtig, dass wir bewältigte Aufgaben wieder loslassen. So wie Herr Lämpel seine Kirche zuschließt.
Er hat nun genug georgelt für heute. So ist es auch im Leben: Es gibt Dinge, die sind vorbei. Die sind geschafft.
Vielleicht auch mit Fehlern, aber das macht nichts. Fehler darf man machen. Daraus kann man lernen. Wenn man sich mit den Fehlern, die man gemacht hat, nur zermartert, dann macht man damit geradewegs den nächsten. Man braucht also eine Aufgabe im Leben, eine sinnvolle Beschäftigung, etwas, was man tut und leistet. Wer keine Aufgabe hat, wer nicht weiß, wofür er eigentlich da ist, der wird unzufrieden. Eine Aufgabe haben, sich anstrengen, etwas leisten: Das also ist der erste Baustein für ein zufriedenes Leben.
Und nun kommt der zweite:
Man braucht ein Zuhause, einen Platz, an den man gehört,
Ich zitiere noch einmal
Eben schließt in sanfter Ruh
Lämpel seine Kirche zu;
Und mit Buch und Notenheften
Nach besorgten Amtsgeschäften
Lenkt er freudig seine Schritte
Zu der heimatlichen Hütte
Haben Sie so eine „heimatliche Hütte“, zu der Sie freudig ihre Schritte lenken, weil es dort schön ist, weil Sie dort willkommen sind, weil Sie sich geborgen fühlen, weil Sie sich dort entspannen können?
Oder ist es bei Ihnen so, dass Sie nicht gern nach Hause kommen, weil es dort vielleicht Zank und Streit gibt, weil schon rein äußerlich das Chaos herrscht, weil dort immer nur neue Erwartungen an Sie gerichtet werden, weil Menschen um Sie herum Sie eng machen?
Was ist Kennzeichen einer heimatlichen Hütte, zu der man freudig seine Schritte lenkt?
Gewiss ist es zunächst einmal eine solche äußere Ordnung. Das heißt nicht, dass man einen Putzfimmel haben muss.
Ein Konfirmand sagte einmal mit verdrehten Augen seufzend zu mir: „Ich glaube, für meine Mutter ist es das Schlimmste, dass sie nach ihrem Tod mal zu Staub wird“.
Seine Mutter sah man wirklich nur mit Staubsauger.
Ich selber bin leider kein besonders ordentlicher Mensch. Aber ein gewisses Maß an Ordnung, das tut der Seele wohl und ist wichtig. Das ist nicht so selbstverständlich wie Sie meinen. Hausarbeit ist mühsam, das wissen wir alle. Man sieht sie immer nur, wenn sie nicht gemacht ist und man wird nie mit ihr fertig. Sollten Sie sich als Hausfrau deshalb manchmal fragen nach dem Sinn ihrer Arbeit: Sie tragen damit viel bei zur Zufriedenheit Ihrer Lieben.
Zu einer „heimatlichen Hütte“, zu der man „freudig seine Schritte lenkt“, gehört aber noch mehr. Wenn Sie allein leben, dann gehört dazu, dass Sie gut allein sein können, dass Sie sich selbst ein guter Gesellschafter sein können, dass Sie ihre heimatliche Hütte auch schätzen und genießen können.
Auch da sei Wilhelm Busch zitiert:
Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergißt man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
»Was, lebt er noch? Ei Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.«
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Läßt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
»Wer einsam ist, der hat es gut.«
Ob Sie das auch so sehen? Ich komme später noch einmal darauf zurück.
Wenn Sie aber nicht allein zu Haus sind, wenn Sie Menschen haben, die zu Ihnen gehören, den Ehepartner, die Kinder, wer auch immer: Da ist genau das so wichtig, dass man einander mit Respekt und Liebe behandelt und den anderen nicht eng macht, sondern frei.
„Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit!“ weiß schon Paulus.
Dass man dem anderen das Beste wünscht und gönnt, dass man aufmerksam ist für das, was den anderen freut und glücklich macht, dass man alles daransetzt, dass der andere es schön hat.
Bitte nicht falsch verstehen. Es geht nicht darum, dass alle es sich gut gehen lassen und die liebe Hausfrau und Mutter schuftet dafür und bedient und verwöhnt alle anderen und wo sie selbst bleibt, ist egal. Das ist freilich nicht gemeint. Zu einem zufriedenen Leben gehört es, dass man sich gegenseitig so behandelt. Ihnen muss ist nicht sagen, dass das biblisch ist.
Viele meinen, als Christen dürften sie nicht an sich selbst denken, hätten immer nur sich aufzuopfern und für andere da zu sein, und ihnen hat man auch beigebracht, dass die Gemeinde immer zuerst kommt. Ich will das nicht abstreiten, dass der Stand der Pfarrfrau deshalb eine besondere Herausforderung ist.
Die junge Pfarr- Generation fällt da manchmal auf der anderen Seite vom Pferd.
Junge Kollegen und Kolleginnen erlebe ich manchmal so, dass sie sehr genau darauf schauen, auch Freizeit zu haben, auch was für sich und die Familie zu tun und nicht permanent hintenan zu stehen.
Ich glaube, die Wahrheit liegt auch hier in der Mitte.
„Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst“, sagt Jesus. Nicht mehr als dich selbst. Aber eben auch nicht weniger. Dieser dritte Klang wird oft vergessen, und damit wird die ganze Sache schief. Ein würdiger, aufmerksamer Umgang miteinander verbreitet Geborgenheit und Wärme. So kommt man gerne nach Hause. Weil man sich entspannen kann. Weil man „man selbst“ sein darf. Weil nicht auch Zuhause noch nur an einem herumgezerrt wird. Ich glaube, dass es an einem solchen Umgang miteinander oft fehlt.
Wenn man sich gegenseitig dauernd mit Erwartungen eng macht, dann hat das was von der Herzlichkeit eines sibirischen Politbüros. Das macht dann unzufrieden, dann bekommt man vielleicht auch Fluchtgedanken und drängt jedenfalls von Zuhause weg.
Besonders schön wird ein Zuhause durch Kinder. Ich verweise noch einmal auf die eingangs erwähnte Studie. 70% der Befragten mit Kindern gaben an, sie seien glücklich, und nur 55% der Befragten ohne Kinder. Das ist schon sehr interessant, denn in diesen Tagen wird von Kindern vielfach nur als Karrierekillern und Kostenfaktoren gesprochen und geschrieben.
Man stellt es so dar, als hätten die Kinderlosen das Gute Teil erwählt, weil sie angeblich jede Menge Geld haben und dauernd in Urlaub fahren können und so. Die mag es ja geben.
Aber es ist doch eine sehr einseitige Sicht der Dinge. Diese Studie jedenfalls belegt, was viele Eltern spüren und bestätigen: Kinder machen das Leben nicht arm, sondern reich.
Dass Kinder auch nerven können, ist dabei ja unbestritten. Ich will hier nichts schönreden.
Aber ein Geschenk sind Kinder doch. Und was passiert dann?
Immer dann, wenn Eltern denken: „Jetzt haben wir sie groß, es ist geschafft!“, genau dann werden sie Großeltern…
Also Baustein zwei:
Die heimatliche Hütte, zu der man gerne seine Schritte lenkt.
Nun komme ich zum dritten Baustein von Lehrer Lämpel
„Und voll Dankbarkeit sodann
zündet er sein Pfeifchen an“
Lehrer Lämpel also ist dankbar.
Nun, das haben wir immer wieder gesagt bekommen, dass wir dankbar sein sollen. Aber so als Forderung in den Raum gestellt wird es ja schon wieder falsch.
Dankbarkeit kann man nicht befehlen. Unser Blick ist oft viel schärfer für das, was uns fehlt,
als für das, was wir haben.
Aber wir können versuchen, nicht so vergesslich zu sein. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“, so ermahnt sich der Psalmbeter selbst.
Nicht vergessen, was Gott uns Gutes getan hat, darum geht es. Damit meine ich jetzt nicht, dass man sich in Traurigkeit und Einsamkeit permanent selbst ermahnt. Manchmal ist man eben nun mal nicht dankbar. Und der Gedanke, dass man es doch aber sein müsste, macht dann die Dunkelheit nur noch größer. „Nicht vergessen“: Mehr nicht. Diese Aufforderung schützt mich vor Überforderung. Vielleicht geht es so: Ich will daran denken, dass die Traurigkeit nicht die einzige Realität in meinem Leben ist. Nicht alles, was ich habe, habe ich mir selbst gegeben.
Zur Dankbarkeit als Lebenshaltung kommt nun aber etwas sehr wichtiges Zweites hinzu, und das ist wohl ein ganz entscheidender Baustein für ein zufriedenes Leben:
Meine Bereitschaft, mit unerfüllten Wünschen zu leben.
„Es gibt ein erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche“ hat Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt, und damit hat er sicher recht. In jedem Leben gibt es Wünsche, die sich nicht erfüllen.
Es gibt Bereiche, in denen wir einen Mangel haben. Sei es, dass wir allein sind und keinen Menschen haben, der zu uns gehört.
Ob der Einsame es wirklich so gut hat, wie Wilhelm Busch behauptet, möchte ich mal offen lassen. Ich weiß, dass Einsamkeit schlimm ist. Auch das ist biblisch.
Im Schöpfungsbericht wird uns über jeden Tag gesagt:
Gott sah an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“.
Und dann fällt ihm selbst etwas auf, was nicht gut ist: Dass der Mensch alleine sei.
Sage keiner, das Alleinsein wäre doch ganz prima!
Vielleicht hatte Wilhelm Busch schlechte Erfahrungen gemacht.
Das Alleinsein ist für Viele schwer, und Corona hat es nicht besser gemacht.
Mit unerfüllten Wünschen leben:
Manchen bleibt der Wunsch nach Kindern versagt.
Wieder andere können ihre berufliche Karriere nicht so machen, wie sie es gern würden.
Wieder andere müssen Einschränkungen in ihrer Gesundheit hinnehmen oder mit dem Geld besonders spitz rechnen.
Es kann auch sein, dass wir andere um ihr Leben beneiden und denken: Dieser oder jener habe es viel besser.
Er sei viel besser, sähe hübscher aus, dem ginge es gut…
Womit dieser andere zu kämpfen hat, was seine unerfüllten Wünsche sind, das nehmen wir dann nicht so wahr.
Was immer es ist, worum immer es auch geht: Es gibt Wünsche im Leben, die sich so nicht erfüllen. Das nicht nur schulterzuckend halt hinzunehmen, sondern es bewusst anzunehmen, es sogar zu bejahen, das ist ein bewusster, ein willentlicher Schritt. Freilich: Zu schnell soll das nicht erfolgen.
Es gibt auch eine ungute Zufriedenheit, so ein phlegmatisches Sich-Fügen, wo man eigentlich was ändern könnte. Das meine ich nicht. Sondern ich denke so:
Reich sind wir nie nur durch das, was wir haben, sondern auch durch das, was wir mit Würde entbehren. Diese Lebenshaltung entspannt, sie macht heiter, gelassen und zufrieden.
Auch hier sei noch einmal Wilhelm Busch zitiert.
Er schreibt ein Gedicht mit dem Titel: „Niemals“:
Wonach du sehnlich ausgeschaut
es wurde dir beschieden.
Du triumphierst und jubelst laut:
Jetzt hab ich endlich Frieden!
Ach, Freundchen, rede nicht so wild
und hüte deine Zunge.
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
kriegt augenblicklich Junge.
Nun komme ich noch zum 4. Baustein für ein zufriedenes Leben bei Lehrer Lämpel.
Was tat er voller Dankbarkeit?
Ich zitiere:
Und voll Dankbarkeit sodann
Zündet er sein Pfeifchen an.
„Ach!“ spricht er. „Die größte Freud
Ist doch die Zufriedenheit!“
Richtig: Er zündet sich sein Pfeifchen an. Wissen Sie, was das heißt? Es heißt: Er versteht es, zu genießen.
Ich bin nicht fürs Rauchen. Aber Lehrer Lämpel versteht es, sich selbst etwas Gutes zu tun,
sich etwas Schönes zu gönnen, sich selbst zu verwöhnen. Er tut nicht nur Sachen, die notwendig und wichtig und hilfreich sind. Er ist nicht immer nur in allem sparsam. Er arbeitet auch nicht pausenlos. Er spendet auch nicht immer alles, was er hat, nein: Er lässt es sich selbst einfach nur selbst richtig gut gehen. Ganz zweckfrei. Nur weil es schön ist.
Ich möchte Sie fragen: Können Sie das?
Können Sie sich selbst Gutes tun und Gutes gönnen, ohne dass andere sofort auch was davon haben, ohne dass es irgendwie begründet werden muss?
Sind Sie sich das wert?
Ich bitte Sie: Seien Sie gut zu sich selbst! Das Leiden ist keine christliche Tugend, wobei das gewiss auch mal von uns gefordert sein kann. Aber Gott ist ein Freund des Lebens, er liebt die Welt und gönnt uns alles Glück, alles Schöne. Darum zweckfrei genießen, einfach genießen. Das macht zufrieden.
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